Die Mittelalterliche Gesellschaft
von Katrin Brauer
Einer der Hauptbestandteile der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung ist das Lehnswesen. Voraussetzung für das Aufkommen des Lehnswesen war die Schaffung einer Reiterei für den Kriegsfall, die Mitte des 8. Jahrhundert stärker in den Vordergrund trat. Den Kriegern sollte eine wirtschaftliche Selbständigkeit durch Landleihe ermöglicht werden. Aus dieser Grundidee entwickelte sich das für das Mittelalter typische Lehnswesen.
Der
König verlieh Grundbesitz und Ämter an Herzöge, Grafen, Bischöfe und Äbte
(Kronvasallen) und stand ihnen mit Rat und Hilfe, Schutz und Treue zur Seite.
Dagegen
leisteten die Kronvasallen dem König Hof-, Amts- und Kriegsdienste und Treue.
Die Kronvasallen konnten Königsgüter, Ämter und Eigenbesitz an kleinere
Vasallen (Untervasallen) weiterverleihen. Diese Untervasallen schworen nur dem
unmittelbaren Lehnsherren den Treueid, nicht aber dem Körnig. Sie leisteten den
Kronvasallen Amts- und Kriegsdienste und Treue. Die unterste Stufe bildeten die
Abhängigen (leibeigene Bauern und Knechte), die von den Untervasallen Land,
Schutz und Treue erhielten. Im Gegenzug leisteten sie diesen Frondienste,
Naturalabgaben und Treue. Die
so entstandene Rangordnung war vielfach abgestuft und ungenau bestimmt, sie
wird meistens mit einer Lehnspyramide dargestellt. Ein Personenverband, mit
vielfältigen Bindungen, an dessen Spitze der König stand, hatte sich gebildet.
So war der fränkische Feudalstaat zu einem Lehnstaat und zu einem Personenverbandsstaat
geworden. Heerwesen und Verwaltung konnten fast nur noch über den Abschluss von
Lehnsverträgen realisiert werden. Gleichzeitig beruhte der Staat nicht primär
auf der Herrschaft über ein Gebiet sondern über einen Verband von Personen.
Das heute bekannte Lehnswesen hat seinen Ursprung im fränkischen Staat. Im fränkischen Lehnswesen sind römische, gallische und germanische Elemente verbunden worden. So besteht das Lehnswesen aus einem persönlichen Element, der Vasallität und dem dinglichen Element, dem Benefizium. Das Benefizium ist entstanden aus den ersten Landschenkungen dem merowingischen König an Adlige.
Die Vasallität ist aus der gallorömischen Kommendation und
der germanischen Gefolgschaft hervorgegangen. In der Kommendation stellte sich
ein Schwacher unter den Schutz eines Herrn und konnte unfrei werden. Die
Gefolgschaft war eine zweiseitige, die Freiheit nicht mindernde
Rechtsbezeichnung.
Den Rechtsgrund für das Lehnswesen bildeten Dienst und
Treue, die sowohl vom Vasall als auch von den Lehnsherren ausgeführt werden
mussten. So hatten beide das Recht bei Treuebruch den Vertrag aufzukündigen.
Die Lehnsverträge bekamen eine verfassungsrechtliche Bedeutung, da das Lehnsgut
staatliches Vermögen war und die Dienste zum Teil für den Staat lebenswichtige
Leistungen darstellten.
Die Belehnung ging in einer bestimmten Zeremonie vor sich.
Der Lehnsherr übergab dem Vasallen symbolisch das Lehen, in dem er ihm eine
Ähre oder einen Zweig (für Land) bzw. Fahne oder Zepter (für Amtsgewalt)
überreichte. Der Vasall gelobte Treue, in dem er ein Treueversprechen, einen
Treueid (Fidelitas) abgab. Besiegelt wurde dieses mit dem Handgang. Der Vasall
legte seine gefalteten Hände zum Zeichen der Hingabe in die des Lehnsherren. So
bildeten die Vasallen eine Gefolgschaft der Lehnsherren, da sie in einer
gewissen sozialen Abhängigkeit zu ihm lebten und an ihn durch den Treueid
gebunden waren.
Beim Tod des Lehnsherren (Herrenfall) oder des Lehnsmannes
(Mannfall) fiel das Lehen heim, d.h. es ging wieder an den König zurück oder an
dessen Erben. Lehnsverträge konnten dann verändert und Lehen neu verteilt
werden. Doch schon bald wurde das Lehen erblich (Leihezwang). Auch ein
erbenloses, heimgefallenes Lehen musste innerhalb einer bestimmten Frist
(binnen Jahr und Tag) wieder ausgegeben sein, konnte also dem Besitz des
Lehnsherren nicht wieder dauerhaft zugeschlagen werden.
Die Adligen betrachteten das Lehen als ein Besitzrecht und
nicht mehr wie im ursprünglichen Sinn als ein Amt mit festgelegten Diensten und
Pflichten. Neben den Lehen besaßen die Adligen auch eigene Ländereien (Allod).
UNTERVASALLEN
Die Ritter
Unter dem Einfluss der Kronvasallen z.B. Fürsten, traten die
Ritter in den Dienst für Gott, den König und den Kaiser. So entstand das
Leitbild des christlichen Ritters, welcher zur Zeit der Kreuzzüge die
Verteidigung des christlichen Glaubens gegen die Heiden zu seinem Lebensinhalt
machte, ebenso wie den Dienst für die Lehnsherrn. Zum Ritter wurde man gemacht,
indem man als Sohn eines Adligen im Alter von 10 Jahren in die Hände eines
Edelmannes, z.B. in die des Lehnsherrn gegeben wurde. Dieser unterwies den
Jungen im Umgang mit den Waffen und im höfischen Benehmen. Bewährte er sich im
Turnier, Krieg oder in der Jagd, wurde er im Alter zwischen 10 und 25 Jahren
zum Ritter geschlagen.
Ab dem 11. Jahrhundert kann man von einem Bauernstand sprechen,
da erst die Herausbildung eines Bürgertums die Abgrenzung eines Bauernstandes
ermöglichte.
Die ländliche Bevölkerung machte ca. 75 bis 80 % der
Gesamtbevölkerung aus. Die Masse von ihnen bestand aus Unfreien. Ihr Leben war
gekennzeichnet durch harte Arbeit und ständige Existenzangst. Der Frondienst
für die Untervasallen musste unabhängig vom Erfolg der Ernte geleistet werden.
So konnte eine schlechte Ernte, z.B. aufgrund eines Naturereignisses, die
Einkünfte einer Bauernfamilie unter das Existenzminimum sinken lassen.
Das Bürgertum
Vom Bürger als eigenständigem Stand spricht man ab dem 11.
Jahrhundert. Zeitgleich löste das Wort „stat“ das ältere Wort „burg“ ab. Als
Bürger bezeichnete man einen Stadtbewohner. Man differenzierte zwischen den
„burgaere“, welcher alle politischen Rechte besaß, und dem „medewoner“
(Einwohner), welche keine politischen Rechte besaß. Alle Stadtbewohner waren
aber im Gegensatz zur der Landbevölkerung frei. Löste sich eine Person aus der
Landbevölkerung von seinem Grundherren und wanderte ab in die Stadt, so konnte
er das Bürgerrecht erlangen, vorausgesetzt sein Grundherr machte keine
Ansprüche geltend. Um seine persönliche Freiheit zu erlangen musste er im
allgemeinen ein Jahr und ein Tag in der Stadt leben. Das volle Bürgerrecht
erlangte er jedoch erst, wenn er den Bürgereid leistete und sich verpflichtete
seine bürgerlichen Pflichten zu beachten.
Als die Städte selbstständiger geworden waren und für ihre
Ruhe und Freiheit sorgen mussten, wurden die Metallhandwerker, die
Messerschmiede, Helmschmiede, Bogner, Panzerschmiede, Huf- und Nagelschmiede
wichtiger und zunehmend wohlhabender. Durch diesen Aufschwung stieg auch die
Zahl der Handwerker in den Städten. Je größer die Städte wurden, desto weniger
beschränkten sich die Handwerker darauf nur das herzustellen was gerade ein
Kunde bei ihnen bestellt hatte. Sie begannen auf Vorrat zu arbeiten und wollten
ihre Waren wie die Kaufleute auch auf dem Marktplatz verkaufen dürfen. Dabei
stießen sie auf erheblichen Widerstand seitens der Patrizier.
Dagegen schlossen sich die Handwerker zu Zünften zusammen,
wobei die Stadtregierungen zunächst vergeblich versuchten, sie zu verbieten.
Schließlich, nach manchen teils blutigen Kämpfen einigten sie sich darauf, dass
sich die Zünfte der Stadt gegenüber verpflichteten, den Bürgern für einen
„gerechten Preis“ nur gute Ware zu liefern. Im Gegenzug durfte der Bürger seine
Ware nur bei den städtischen Handwerkern kaufen.
Im 14. Jahrhundert beanspruchten die Zunftmeister ihren
Platz im Rat der Stadt. In manchen Städten gab der Rat nach und die Zünfte
erhielten einen Anteil am Stadtregiment. In anderen Städten suchte der
Geschlechteradel sich im Alleinbesitz der Macht zu behaupten. Dabei kam es zu
Kämpfen, die oft mit Massenhinrichtungen oder Austreibung endeten. In den Städten
Oberdeutschlands und an Main und Rhein, deren Reichtum zum größten Teil dem
Gewerbefleiß der Handwerker zu verdanken war, siegten meistens die Zünfte. In
den Hansestädten Norddeutschlands behielt die Kaufmannschaft das Regiment.